Zukunftsinvestitionen und Wettbewerbsfähigkeit fördern

Die Wirtschaft erwartet von der Politik Reformen, um die Zukunft des Standorts Deutschland zu sichern: Dazu sollte Politik die Vorschläge der Wirtschaft aufgreifen, so ZDH-Präsident Jörg Dittrich zu Rena Lehmann von Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ).

Herr Dittrich, BDI-Chef Russwurm hat der Ampel-Regierung gerade ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Für die Wirtschaft seien es zwei verlorene Jahre gewesen. Schließen Sie sich der Kritik an?

Nicht wenige unserer Mitgliedsverbände berichten vom Frust und teils auch von Wut in den Betrieben. Die erwarten, dass der Kanzler und die Regierung endlich die Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt stellen. Bisher ist das nicht so. Wir weisen seit Jahren auf die Defizite und Missstände hin, nicht erst seit zwei Jahren. Viele davon können nur durch grundlegende strukturelle Reformen behoben werden. Seit 2014 haben wir zu wenige Investitionen, wir haben seit 2019 kein Wachstum mehr. Man kann auf den Ukraine-Krieg verweisen, aber andere Länder stehen trotzdem derzeit besser da als wir.

Nimmt Kanzler Olaf Scholz die Lage nicht ernst, wenn er sagt, die Klage sei des Kaufmanns Lied?

Dass der Kanzler sich diese Woche die Zeit genommen hat, mit uns über die Lage zu sprechen, werte ich als positiv. Die vier großen Wirtschaftsverbände haben dem Kanzler bereits vor Wochen sehr konkrete Vorschläge gemacht, die verdeutlicht haben, wie ernst die Lage ist. Deutschland kann mehr, aber wir sind Schlusslicht in vielen Bereichen. Wir können nicht hinnehmen, dass wir von Spitzenpositionen verdrängt werden. Auch Europa wartet darauf, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU wieder in Schwung kommt.

Sind Sie in Ihrem Gespräch mit Olaf Scholz in dieser Woche einen Schritt weitergekommen?

Nun: Es ist noch einmal sehr deutlich geworden, dass es sehr unterschiedliche Sichtweisen dazu gibt, in welchem Zustand sich die deutsche Wirtschaft befindet, und wie es um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes bestellt ist. Daraus ergeben sich dann natürlich auch unterschiedliche Schlussfolgerungen, welche Maßnahmen nötig sind. Auf beiden Seiten hat man erkannt, dass sich die Spitzenverbände und der Kanzler mehr austauschen müssen, um eine gemeinsame Sicht und Maßnahmen zu erarbeiten. Wir werden uns also häufiger treffen müssen.

Ist die Wirtschaftswende mit Steuerentlastungen und einem Moratorium für Sozialausgaben, wie es die FDP in ihrem Leitantrag auf dem kommenden Parteitag, nach ihren Vorstellungen?

Wir vier führenden Wirtschaftsverbände haben zehn Punkte und Handlungsfelder vorgeschlagen. Wenn die Regierung nun sagen würde, wir greifen Punkt drei, fünf und sieben auf, das wäre schon einmal ein guter Schritt. Man muss einfach endlich mal ins Machen kommen. Der Anfang wäre gemacht, wenn die Ampel die Wirtschaftspolitik ersichtlich und erkennbar in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt.

Was würde dem Handwerk konkret helfen?

Es muss wieder Zuversicht erzeugt werden. Wir brauchen das Zutrauen, dass sich unsere Arbeit in der Zukunft auszahlt. Weil diese Zuversicht derzeit fehlt, sehen wir eine Investitionszurückhaltung in allen Bereichen, vom Wohnungsbau bis hin zu Firmeninvestitionen, bei Neugründungen und Übergaben. Alle warten lieber ab. Überall stockt es. Die Zulassungszahlen für E-Autos gehen zurück. Es fehlen einfach Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Nehmen Sie die Frage, wo der grundlastfähige Strom künftig herkommen soll: Das ist nicht geklärt. In der aktuellen Lage braucht es jetzt vor allem Anreize, damit Betriebe wieder investieren.

Der Staat rühmt sich damit, dass er Rekordinvestitionen tätigt. Aber wir haben ein Bruttoinlandsprodukt von mehr als 4 Billionen Euro. Da werden die 70 Milliarden Euro, die der Bund investiert, nicht reichen. Der Staat muss dafür sorgen, dass die Privatwirtschaft wieder investiert. Das würde dann auch dem Handwerk helfen. Dazu braucht es Sicherheit, klare Rahmenbedingungen: Bürokratieabbau, Entlastungen und die Wertschätzung von Selbstständigkeit, unternehmerischem Risiko und beruflicher Ausbildung.

Wäre das Aussetzen der Schuldenbremse für Investitionen aus Ihrer Sicht notwendig?

Zuallererst sollte es darum gehen, zu entscheiden, wofür wir Geld ausgeben wollen. Dabei sollte aus meiner Sicht der Fokus auf Zukunftsinvestitionen und der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts liegen, denn nur dann lässt sich auch der Sozialstaat nachhaltig finanzieren. Wenn Zukunftsinvestitionen nur mit neuen Schulden zu haben sind, sollte man diesen Weg meinetwegen nicht kategorisch ausschließen.

Aber ich plädiere dafür, erstmal die Ausgaben zu überprüfen, bevor die Schuldenbremse diskutiert wird, die ja auch ein wesentliches Element der Generationengerechtigkeit ist. Ganz generell würde ich mir wünschen, dass Politik sich darauf konzentriert, eine Lösung und einen Weg zu finden, auch losgelöst von jeweiligen Parteipositionen: Etwa wenn es darum geht, Zukunftsinvestitionen auszufinanzieren, die Zukunftsfähigkeit der Sozialsysteme zu sichern, Technologieoffenheit bei Klimaschutzmaßnahmen zuzulassen, also immer dann, wenn es gilt, die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes zu verbessern und zu sichern.

Würde es dem Handwerk helfen, wenn Überstunden künftig steuerfrei sind. Das schlägt Christian Lindner vor?

Wir denken tatsächlich zu wenig an diejenigen, die zwar 40 Stunden arbeiten, aber nicht genug haben, um sich wegen der hohen Zinsen und Baukosten noch ein Eigenheim leisten zu können. Da gibt es inzwischen viele, die noch zusätzlich in einem Mini-Job arbeiten. Es ist aber doch ein Unding, dass ein Heizungs-Sanitär-Fachmann abends noch Pizza ausfährt, statt noch eine Wärmepumpe mehr einzubauen. Der Vorschlag so ist allerdings noch nicht ausgegoren. Besonders Frauen, die vielleicht in Teilzeit arbeiten, würden davon nicht profitieren.

Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz sollen nun Aufbewahrungsfristen verkürzt und die Schriftform mit digitalen Mitteln ersetzt werden. Ist das der Durchbruch beim Bürokratieabbau?

Absolut nicht. Das ist nicht der Befreiungsschlag, den wir brauchen. Die Aufbewahrungsfristen der Akten von zehn auf acht Jahre zu verkürzen, das bringt wenig. Viel entscheidender wäre es, zu verhindern, dass diese Aktenberge überhaupt erst entstehen. Von den hunderten Vorschlägen wurden lediglich vereinzelte Punkte ins Bürokratieentlastungsgesetz aufgenommen. Mein Vorschlag: Warum setzen wir Dokumentationspflichten nicht einfach mal zwölf Monate aus und schauen, was passiert?

Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Wir sind auf dem Bau jetzt verpflichtet, Bauschaum-Schulungen für die Mitarbeiter zu machen, weil der Schaum Reaktionen auf der Haut auslösen kann. Wer bitte sprüht sich Bauschaum auf die Haut? Die überbordende Bürokratie ist inzwischen ein handfestes Hindernis bei Betriebsnachfolgen: Viele Absolventen unserer Meisterlehrgänge wollen sich nicht mehr selbstständig machen – aus Angst vor Bürokratie und der Vielzahl an Formularen.

Jede Vorschrift, davon sollte man ausgehen, hat oder hatte ja mal ihren Sinn. Welche Bürokratie kann man denn ersatzlos streichen?

Bürokratieabbau tut weh. Er bedeutet mehr Vertrauen und weniger Kontrolle. Aber wir müssen jetzt die Kraft dazu finden, Bürokratie radikal abzubauen. Im Augenblick gilt: Was nicht dokumentiert ist, wurde nicht gemacht. Das ist absolutes Misstrauen gegenüber den Unternehmern. Dabei sind genau sie es, die die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen und damit erwirtschaften, was an Steuern und Abgaben dann zu unser aller Wohl eingesetzt wird. Es wäre daher mehr als wünschenswert, wenn im parlamentarischen Verfahren zum Bürokratieentlastungsgesetz noch viele Regelungen abgebaut werden.

Quelle: www.zdh.de
Bild: ZDH/Henning Schacht


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